Dr. Hans-Jürgen Goebelbecker

Mineraloge und Physiker, nach unterschiedlichsten beruflichen Stationen bis 2021 stv. Direktor der Bibliothek des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)

Ihre Auffassung von Kulinaristik in einem Satz:

Die Kulinaristik befasst sich mit dem soziokulturellen Totalphänomen, dass Essen und Trinken weit mehr als nur Nahrungsaufnahme sind, nämlich ein zentrale Quelle zu Kommunikation, Gastlichkeit und Kultur.

Welche der Themen, mit denen Sie sich bisher beschäftigt haben, berühren kulinaristische Perspektiven? Worum geht es da?

Der Kulturbegriff wird in der täglichen Praxis oft auf Musik, Theater, Film Literatur und (bildende) Kunst verkürzt. Gleichzeitig wird der Naturwissenschaft und Technik oft eine gewisse Kulturferne nachgesagt. Dabei sind Naturwissenschaft und Technik ebenfalls Kulturleistungen des Menschen und die Technik seine durchschlagendste Kulturleistung überhaupt. Im Sinne dieser ganzheitlichen Betrachtung habe ich in meinem Berufsleben, aber nicht nur da, an vielen Stellen versucht, die verschiedenen Kulturen zuerst einmal wahrzunehmen, und sie nachfolgend möglichst konstruktiv miteinander zu verbinden, so z.B. durch ein aus Physikern bestehendes Musikensemble. In diesem Zusammenhang fand auch die Esskultur ihren Platz in meinem Denken und Agieren.

Welchen Beitrag kann die kulinaristische Perspektive auf das alltägliche Essverhalten Ihrer Meinung nach leisten?

Viele heutige Ernährungsprobleme resultieren aus der Reduktion des Essens auf Nahrungsaufnahme. Die kulturwissenschaftliche Betrachtung und Begleitung kann einen wertvollen Beitrag leisten, die gesellschaftlichen Probleme, die mit Essen verbunden sind (Gesundheit, Nachhaltigkeit, Hunger anderswo … ) bewusst, ja öffentlich zu machen.

Was wünschen Sie sich für die Ernährung der Zukunft?

Ein bewussteres Essen und Trinken, und das nicht nur im gesundheitlichen Sinne, kann sicher einen Beitrag leisten, die globalen wirtschaftlichen Spannungen, die sich durch Adipositas auf der einen Seite und Hunger anderen Seite zeigen, zu mildern.

Mit welchen Ernährungsthemen beschäftigen Sie sich ganz aktuell?

Ernährungsthemen werden vor allem in den industriellen Staaten zunehmend ideologisch sowie von medizinischen und gruppendynamischen Mythen beeinflusst, so z.B. der Unverträglichkeitshype und der Veganismus. Diesen problematischen Entwicklungen versuche ich derzeit argumentativ zu begegnen.

Wovon hängt aus Ihrer Sicht gutes Essen ab?

Neben der Qualität der eigentlichen Nahrung spielt das kulturelle Umfeld eine zentrale Rolle. Zu einem guten Essen gehören unbedingt Tischgenossen. Erst sie ermöglichen eine Kommunikation sowie ein Beachten und Ausleben von so genannten Tischsitten. Unabdingbar ist auch, dass sich alle Beteiligten zum Essen genügend Zeit nehmen.

Wie würden Sie Ihre Ernährungsvision beschreiben?

Meine Vision ist eine Ernährung, soziokulturell sensibilisiert wie oben beschrieben, die Umweltprobleme und Hunger auf dieser Welt zumindest mindern kann.

 

 

 

 

 

 

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